Illustration: Oliver Conrad
Text: Dominik Brülisauer
Anmerkung: Als Kolumnist des SnowboarderMBM durfte ich zwischen 2006 und 2010 über meinen Lieblingssport schreiben. Wenn ich diese Texte heute lese, bin ich immer wieder positiv überrascht, wie reif ich in diesem Alter bereits war und dass ich keinen einzigen peinlichen Satz veröffentlicht habe.
Snowboarden = Spass. Diese Gleichung ist in Stein gemeisselt, eine ewige Wahrheit, unantastbar. Oder? Mmmmh… Eigentlich muss es so sein, sonst würden wir ja kaum soviel Kohle in die Hand nehmen, um die ganze Ausrüstung und Tickets zu finanzieren, welche für die Ausübung dieses doch sehr dekadenten Hobbys unabdingbar sind. Doch haben wir nur das Gefühl es mache Spass, weil es auf Postern und Videos cool ausschaut? Oder ist es wirklich die ultimative Beschäftigung, die es Wert ist, um sich mit ihr ganze Wochenenden um die Ohren zu hauen?
Nun, da ich ja ein kritischer Zeitgenosse bin, der sich nicht einfach von der Werbung der Wintersportindustrie und den Sirenengesängen der Skiliftbetreiber verführen lässt, sondern die Illusion seines freien Willen pflegen möchte, habe ich meine letzten Tage auf dem Berg akribisch analysiert. Hier mein Bericht von der Front:
Also, damit Snowboarden überhaupt Sinn macht, muss man morgens früh aufstehen. Wenn man so wie ich unter der Woche brutal viel arbeitet, dann würde man theoretisch am Wochenende gerne ein wenig ausschlafen. Oder liege ich da etwa falsch mit dieser Annahme? Jedenfalls kann man als Snowboarder, der etwas auf sich hält, das Ausschlafen am Wochenende von der Agenda streichen. Was man machen darf, ist ganz ganz leise und nur für sich selber auf schlechtes Wetter hoffen. Aber pssssst, wehe, ein Snowboard-Kumpel bekommt das mit. Eigentlich sind doch die Schlechtwettertage die geilsten Tage. Der Wecker vergewaltigt das Trommelfell, man steht genervt auf, schaut aus dem Fenster und blickt auf eine graue Einheitssuppe aus Nebel und Wolken. Yes! Man kann mit gutem Gewissen wieder in die Kiste steigen und bis am Nachmittag weiterpennen. Perfetto.
An Tagen mit weniger Glück steht man auf, reisst die Vorhänge zur Seite und grelles aggressives Tageslicht flutet das Zimmer und verdrängt die gemütliche Dunkelheit in den Keller. Kurz darauf klingelt dann noch das Telefon und die ersten verhaltensgestörten Figuren aus dem Freundeskreis fangen an Terror zu machen. Fünf Minuten später fahren sie dann auch schon mit dem Auto vor, fangen an zu hupen und beschweren sich, dass man noch in den Unterhosen inklusive fröhlicher Morgenlatte und einer Tasse Kaffee vor die Türe tritt. Dann fangen die ersten Diskussionen an. Die dauern im Normalfall an bis man endlich zwei Stunden später auf der Bergstation aussteigt. In der Zwischenzeit hat man sich in der gewohnt vollgepferchten Gondel das Duftgemisch aus 300 unterschiedlichen Sandwichs und Mundgerüchen zu Gemüte geführt und sich mit Sonnencreme vollgekleckert. Ahhhhhhhh…
Danach verschwindet man ins Backcountry und verbringt die nächsten zweieinhalb Stunden mit Kickerschaufeln. Lustig, lustig, lustig trallalala! Nach dem ersten Sprung darf man dann feststellen, dass die Landung nicht wirklich eine richtige Landung, sondern eher eine Geröllhalde mit leichter Schneebedeckung ist. Projekt abgeblasen. Die nächste Szene respektive Verarsche spielt sich dann in einem Bergrestaurant ab. Für die entweder zu versalzenen, zu wenig oder zu lang, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht perfekt fritierten Pommes, zahlt man mittlerweile so viel, dass man die Portion am liebsten leasen möchte. Zum Abschluss gibt es dann noch den Run auf der vereisten Piste wo man sich mit dem besoffenen und Schlagerparade grölenden Aprés-Ski-Volk rumprügeln darf.
Irgendwann ist man dann endlich wieder zu hause, darf die verschwitzen Füsse aus den ungemütlichen Boots befreien und froh sein, dass man auf der Piste nicht von einem Italiener in Röhrchenjeans und Gelfrisur angefahren, von einem Schneebrett erfasst oder von einem notgeilen Steinbock vernascht worden ist. Snowboarden=Spass=My ass!
In diesem Sinne, viel Glück und viel «Spass».