Illustration: Oliver Conrad
Text: Dominik Brülisauer
Anmerkung: Als Kolumnist des SnowboarderMBM durfte ich zwischen 2006 und 2010 über meinen Lieblingssport schreiben. Wenn ich diese Texte heute lese, bin ich immer wieder positiv überrascht, wie reif ich in diesem Alter bereits war und dass ich keinen einzigen peinlichen Satz veröffentlicht habe.
Zum Vorspiel eine Feststellung in Frageform: Ist es nicht so, dass Snowboarder die leidenschaftlichsten Liebhaber auf diesem Planeten sind? Ich antworte auf diese Frage mit einem ganz klaren Ja. Diese Tatsache hat nicht nur damit zu tun, dass Snowboarder zwecks effizientem Timemanagement ihre Hosen schon gar nicht ganz anziehen, bevor sie zum Haus rausgehen, und auch nicht damit, dass sie die meiste Zeit in Minustemperaturen verbringen und der Liebespinsel schon dementsprechend chronisch angesteift ist. Nein, die Parallelen sind wesentlich subtiler. Es gibt keine genaue Grenzlinie, welche die beiden Bereiche voneinander trennt. Es ist eher ein Ineinanderfliessen dieser beiden Leidenschaften zu einem Lifestyle. Was man beim Snowboarden lernt und erfährt, das kann man in der Liebe anwenden – und umgekehrt.
Bei mir persönlich ist es sogar so, dass ich manchmal gar nicht merke, wann ich aufgehört habe zu riden und angefangen habe zu reiten. Der folgende Essay soll meinen Punkt klarer machen:
Snowboarden ist gelebte wahre Liebe. Diese Passion ist manchmal zu schön, um wahr zu sein. Aber manchmal lässt sie einen leiden wie einen Hund. Es gibt bessere und schlechtere Tage. Doch wie in der Beziehung mit einer Frau, zählt vor allem die Erinnerung an die guten Zeiten, welche einen auch in schneeärmeren Saisons daran erinnert, was man eigentlich an der ganzen Geschichte hat. Man vergisst niemals seinen ersten Kuss und man vergisst noch viel weniger seinen ersten Snowboardtag.
Wenn Snowboarden Liebe ist, ist Parkfahren und Halfpipeshredden vergleichbar mit Petting. Es macht irgendwie Spass, man muss sich darauf konzentrieren, dass man die richtigen Schritte im richtigen Moment macht und dass man die richtige Dosis findet zwischen Emotionsexpression und Triebzügelung. Bei der Ouvertüre mit einer Turtelpartnerin führt das richtige Timing dazu, dass das Vorspiel irgendwann mit einem Nachspiel belohnt wird. Beim Shredden lernt man auf diese Weise neue Tricks ohne sich dabei zu verletzen. Diese helfen dann wiederum den Wert seiner Aktien in der freien Wildlauframmelbahn ebenfalls steigen zu lassen.
So, genug des Vorspiels. Let’s talk about Freeriding. Beim zweiten Mal lesen dieses Textes kann man direkt zu diesem Part spulen, genau wie bei den auf DVD gepressten Liebeshilfen, die man an jedem besseren Kiosk kaufen kann. Oder für die Nostalgiker unter euch natürlich das VHS-Tape. Schon klar, dass ich nicht nur von Snowboardfilmen spreche, oder?
Freeriden ist Sex pur. An gewissen Tagen kann man einfach aus der Bergbahn steigen und die frischverschneite Piste hinunterbraten. Das ist aber gewiss nicht die Regel. Dank der globalen Klimaerwärmung mittlerweile sogar eine Seltenheit. Vergleichbar mit Nächten, an denen das schwedische Bikiniteam an die Türe klopft um zu fragen, ob man im Bett noch Platz habe, da ihr Bus gerade eine Panne direkt vor der Haustüre hatte und es ein alter skandinavischer Brauch sei, dass man den Mieter solch eines Hauses alle nur erdenklichen Männerwünsche bis zum Morgengrauen erfülle und dann garantiert verschwunden ist, bevor man selber aufwacht. Also höchstens fünfmal pro Jahr.
Der Normalfall ist wohl eher, dass man sich den Freeride verdienen muss. Das heisst, es kostet einen viel Mühe, Schweiss, und Tränen bis die Frau endlich bestiegen ist und der Run beginnen kann. Das gleiche gilt natürlich für Berge. Doch ist man endlich oben, kann der Spass beginnen. Runs können länger oder kürzer sein. Je nach Pausen, die man einlegt, oder je nach körperlicher Verfassung in der man sich befindet, dauert der Spass zwischen 30 Sekunden und 5 fünf Minuten. Und wenn man es den Kollegen erzählt, haut man jeweils auf die effektive Zeit noch 30% drauf. Kumpels, die ein kennen, ziehen dann sowieso mindestens 20% wieder ab. Somit bleibt man immer noch auf der sicheren Seite. Alles eine Frage der Buchhaltung und der Feinnivellierung. Fakt ist aber, dass man in dieser Zeit so gut sein muss, dass sich all die Mühe, die man sich dafür gemacht hat, genau in diesem kurzen Augenblick auszahlt. Entweder man küsst in diesem Moment den Himmel oder man landet in der Hölle. Nach vollbrachter Leistung raucht man die schwerverdiente Zigarette. Man klopft sich selbst auf die Schultern und gratuliert sich zu seiner geilen Leistung. Je nach dem was für ein Typ man ist, bedankt man sich dann noch beim Berg oder redet sogar noch anstandshalber weiterhin mit der Frau.
Und hier noch einen kleinen Tipp für die jungen Leser, welche noch keine praktischen Erfahrungen akkumulieren konnten und beide Materien erst aus den Hochglanzmagazinen kennen. Unterschied zwischen Berg und Frau: Beim Berg könnt ihr selber bestimmen, wann ihr ihn wieder sehen wollt. Ausserdem kostet es bei ihm wesentlich weniger Überredungskunst um ihm beizubringen, dass ihr beim nächsten Mal noch eure Freunde mitnehmen werdet.
In diesem Sinn, viel Glück und gute Fahrt.