Think pink

Illustration: Oliver Conrad
Text: Dominik Brülisauer

Anmerkung: Als Kolumnist des SnowboarderMBM durfte ich zwischen 2006 und 2010 über meinen Lieblingssport schreiben. Wenn ich diese Texte heute lese, bin ich richtig positiv überrascht, wie reif ich in diesem Alter bereits war und dass ich keinen einzigen peinlichen Satz veröffentlicht habe.

In jedermanns Leben passieren hin und wieder schlechte Dinge. Doch kluge Leute verstehen es, auch aus schlechten Situationen das Beste herauszuholen. Bei gewissen Menschen ist diese Fähigkeit angeboren, andere müssen sie sich aneignen. Doch es gibt einen guten Grund, warum einem immer alles Schlechte am gleichen Tag passiert. Normale Menschen sind nach dem ersten Kuhfladen, in den sie reintreten, so beschissen drauf, dass sie allen anderen Kuhfladen, die in der Gegend lauern signalisieren, dass bei ihnen eine Kuhfladenparty stattfindet. Da kommt natürlich jeder Kuhfladen vorbei und man wird von der ganzen Scheisse überhäuft. Viel klüger ist es, gleich zu Beginn die Sneakers zu putzen, über seinen Misstritt zu lachen und ein Liedchen pfeifend seines Weges zu gehen. Die Kuhfladen wissen dann, dass sie da nichts verloren haben und lassen einen in Ruhe. Der Trick ist es, überall Chancen und nicht Barrieren zu sehen.

Wenn du am Morgen entlassen wirst, darfst du nicht verzweifeln, ausrasten und dich betrinken. Sonst kannst du dir sicher sein, dass du weinend nach Hause torkelst, deine Freundin dich nicht mehr besonders attraktiv findet, dich verlässt, du alleine zuhause im Suff einschläfst und deine brennende Zigarette auf den Teppich fällt. Ursprünglich hättest du nur deinen Job verloren. Jetzt stehst du aber ohne Arbeit, ohne Freundin und ohne Haus auf der Strasse. Ohne Zweifel, das ist eine Kuhfladenparty. Wenn dich also dein Boss mit deiner Entlassung konfrontiert, lächle, bedanke dich bei ihm dafür, dass sich jetzt endlich neue Perspektiven in deinem Leben auftun können, ruf deine Freundin an und erzähle ihr die guten Neuigkeiten. Das klingt in der Theorie natürlich viel einfacher, als was es in der Praxis tatsächlich ist. Immerhin wirst du in deinem Umfeld garantiert als abnormal wahrgenommen, wenn du am Tag deiner Entlassung zuhause eine Party schmeisst. Doch du weisst, dass du nicht feierst, dass du arbeitslos bist, sondern du zelebrierst, dass du noch deine Freundin und dein Haus hast.

Ich habe mir überlegt, was mich in den letzten Jahren immer wieder in Rage versetzen konnte. Unter anderem waren das ungeniessbares und sauteures Essen in Bergrestaurants, ein Wetterumbruch, kurz nachdem ich mir eine Tageskarte gekauft hatte, oder wenn mir irgendein Arsch mein Snowboard geklaut hat. Bei solchen Gelegenheiten mutiere ich heute noch zu einem Zombie, dem man besser aus dem Weg geht. Und logischerweise wurde die ganze Geschichte jedesmal noch ätzender, je mehr ich mich darüber aufregte. Im Restaurant habe ich mir an der heissen Suppe noch die Zunge verbrannt. Nach dem Wetterumbruch habe ich mich in der Nebelsuppe verfahren. Als ich der Polizei mein geklautes Board gemeldet habe, durfte ich gleich noch die Suppe auslöffeln, die ich mir mit vermeintlich verjährtem Falschparkieren eingebrockt hatte. Suppen sind echt scheisse. Ich habe mir geschworen, dass nächste Saison alles anders sein wird.

Damit mir ein Besuch in einem Bergrestaurant nicht mehr den ganzen Tag versauen kann, habe ich angefangen, wenn ich zuhause koche, mein Essen regelmässig zu versalzen, es eine halbe Stunde lang in den Kühlschrank zu stellen, damit es garantiert kalt und ungeniessbar wird, und noch eine 20-Franken-Note aus dem Fenster zu werfen. Damit ein Wetterumbruch in Zukunft nicht mehr ein Stimmungsumschwung meinerseits bedeutet, habe ich angefangen Brennsprit zu schnüffeln, bevor ich das Haus verlasse. Somit nehme ich die Welt vermehrt durch einen Nebelfilter war. Das Wetter wird mir zunehmend egal. Um mich auf die Situation vorzubereiten, bei der ich das nächste Mal auf die leere Stelle starre, wo eigentlich mein Snowboard parkiert sein sollte, gehe ich im Sommer regelmässig mit meinen Mountainbike-Freunden auf die Downhillbahn. Allerdings nehme ich kein Bike mit, sondern spaziere einfach die Piste runter. Ich bin es mir also langsam gewohnt, den Berg runterzuwandern. Irgendwie macht es langsam sogar Spass. Das könnte aber auch am Brennsprit liegen. Jedenfalls kann der Winter kommen, ich bin bereit.

In diesem Sinne, viel Glück und gute Fahrt.

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