The Eye of the Tiger

Illustration: Oliver Conrad
Text: Dominik Brülisauer

Anmerkung: Als Kolumnist des SnowboarderMBM durfte ich zwischen 2006 und 2010 über meinen Lieblingssport schreiben. Wenn ich diese Texte heute lese, bin ich richtig positiv überrascht, wie reif ich in diesem Alter bereits war und dass ich keinen einzigen peinlichen Satz veröffentlicht habe.

Um im Winter gute Leistungen zu erbringen, ist es zwangsläufig nötig, dass man sich im Sommer fit hält. Dann fallen einem die Hikes leichter, die Knie federn die Sprünge besser ab und man gewinnt durch physische Fitness an Selbstvertrauen. Dies kann in den Bergen nur von Vorteil sein. Es fängt beim selbstbewussten Auftreten an der Liftschlange an und hört bei der Verteidigung seines frisch geschaufelten Kickers auf.

Nun, ich habe die Rolle des Gondeltrottels, den man hin und herschubsen kann, wie es einem gerade passt, mehr als satt. Ausserdem habe ich auch keinen Bock mehr darauf für alle anderen Kinder die Schanzen zu bauen. Diesen Winter gibt es einen ganz neuen Dominik Brülisauer. Aus diesem Grund habe ich mir ein Jahresabo für das Fitnessstudio gekauft.

Ich muss zugeben, dass ich anfangs schon eine gewisse Hemmschwelle überwinden musste. Schliesslich werden Fitnessstudios ja nicht wirklich mit Coolheit konnotiert, sondern eher als Tempel für Schweissfetischisten und Tummelplatz für Körperneurotiker. Ausserdem bin ich ein Naturbursche. Ich erinnere mich noch an einen alten Rockyfilm. Rocky Balboa, der 1.30 Meter kleine Underdog aus dem armen Amerika musste gegen den 2.70 Meter grossen Herausforderer Ivan Drago aus dem reichen Russland antreten. Um sich auf den ultimativen Boxfight vorzubereiten, hat sich Rocky ganz alleine in eine Waldhütte zurückgezogen und seinen Körper mit Holzfällen und mit Bergwanderungen in Form gebracht. Ivan Drago allerdings wurde von einem 15köpfigen Team hochqualifizierter Ärzte, Psychologen und Trainer getrimmt. Der Film ging so in Richtung David gegen Goliath, Mensch gegen Maschine, Natur gegen Technik, Gut gegen Böse. Warum ausgerechnet ein Amerikaner alle diese netten Eigenschaften verkörpern durfte, lag wohl daran, dass es ein amerikanischer Film war, der mitten im kalten Krieg produziert wurde. Anyway. Rocky hat den Kampf der Systeme natürlich gewonnen. Hurra Kapitalismus.

Was ich damit sagen wollte, ist, dass ich es anfangs auch cooler gefunden habe in der freien Natur zu trainieren, mit der Axt Baumstämme zu spalten und wilde Bären zu würgen. Allerdings hatte ich zunehmend Probleme mit den örtlichen Grünen. Plötzlich musste ich feststellen, dass es noch grössere Naturfreunde gibt als mich und ich auf einmal zum unsympathischen Ivan geworden bin. Okay, ich habe im ganzen Engadin jeden zweiten Baum gefällt und die Grizzlypopulation auf Null reduziert. Aber hallo, das kann man meiner Meinung nach auch ein wenig sportlich nehmen. Meine anfängliche Skepsis gegenüber dem Fitnessstudio hat sich mittlerweile in absolute Begeisterung verwandelt. Wo sonst kann man auf den gleichen zehn Quadratmetern Rudern, Joggen, Velofahren und gleichzeitig auf dem Monitor Simpsons schauen? Die Natur kann da gleich einpacken.

Also, ich hoffe, dass der eine oder andere meiner sogenannten «Kollegen» diesen Text hier liest und ihn als Warnung richtig versteht. Diesen Winter wird auf dem Berg ein anderer Wind pfeifen. Zieht euch warm an.

In diesem Sinne, viel Glück und bis bald.

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