Illustration: Oliver Conrad
Text: Dominik Brülisauer
Anmerkung: Als Kolumnist des SnowboarderMBM durfte ich zwischen 2006 und 2010 über meinen Lieblingssport schreiben. Wenn ich diese Texte heute lese, bin ich richtig positiv überrascht, wie reif ich in diesem Alter bereits war und dass ich keinen einzigen peinlichen Satz veröffentlicht habe.
Heute möchte ich euch beibringen, dass man nicht alles verallgemeinern darf. Ein Cowboy hat ein Pferd unter seinem Arsch, einen Hut auf seinem Kopf, einen Revolver an der Hüfte und eine Marlboro im Mundwinkel. Ein Italiener hat immer ein Trägerhemd an, einen behaarten Rücken, eine Pizza auf dem Teller und er wohnt bis er 40 ist bei seiner Mutter. Eine Blondine kann höchstens bis zehn zählen, bis F wie Vögeln buchstabieren und ihre Beine nicht zusammenhalten.
Das sind alles Stereotypen. Mit Stereotypen gliedern wir unsere Umwelt, versuchen Komplexität zu vereinfachen und Informationen zu kategorisieren. Mit anderen Worten, sie ermöglichen uns untereinander zu kommunizieren. Wenn ich Cowboy schreibe, dann hat jeder von den 3. 5 Millionen MBM Leser selber ein Bild von einem Cowboy im Kopf, welches durch meine Buchstabenfolge C, O, W, B, O, und Y wachgerufen wird. Höchstwahrscheinlich stimmt dieses Bild sehr gut mit meiner anfänglichen Beschreibung überein. Oder hat jemand von euch an einen Schwarzen in Bermudashorts gedacht, der im bolivianischen Hochland auf Rinder aufpasst? Oder beim Italiener an einen schwulen römischen Missionar in Kalkutta? Oder bei der Blondine an Julia Timoschenko? Ich glaube eher nicht. Und falls doch, lernen wir trotzdem was daraus. Dann wäre mein klischiertes Bild von den 12 Millionen MBM-Lesern ebenfalls falsch gewesen.
Nur schon die Tatsache, dass ich MBM-Leser geschrieben habe, zeugt doch schon von meiner falschen Vorstellung. Es gibt ja wohl auch MBM-Leserinnen, eine davon kenne ich sogar persönlich (Caro, der Gruss geht an dich). Aber wie man sieht, reduzieren wir auch in der Sprache. Ganz einfach, weil es sonst zu kompliziert wird und wir nicht weiterkommen würden. Darum sammeln wir unter dem Begriff MBM-Leser alles, was schon mal ein MBM gelesen hat: Kinder, Pubertierende, Erwachsene, Ausländer, Inländer, Highlander, Bauseln, Dudes, Homos, Heteros, Schafzüchter, Möbelfetischisten und alle Mischformen davon. Halt alles Leute, die sich für Snowboarden interessieren, ein saugutes Mag von einem schlechten unterscheiden können und gerne schöne Fotos, gute Kommentare und vor allem hochintelligente Kolumnen schätzen. Das ist mein Bild, welches ich von euch sehr geschätzten 158 Millionen MBM-Leserinnen und Leser (Jawohl, was gelernt, oder vielleicht wäre es besser MBM-Leser und Caro zu sagen…) habe. Eine heterogene Gruppe mit einem gemeinsamen Nenner: guten Geschmack! Aber es gibt natürlich auch Leute, die euch ganz anders einschätzen.
Basti zum Beispiel, mein Chef hier beim MBM, der sagt während den Redaktionssitzungen immer und immer wieder, dass der typische MBM-Leser theoretisch gar keine Ahnung vom Snowboarden, dafür Mundgeruch, Schweissfüsse, und X-Beine hat und dank seiner sexuellen Orientierungslosigkeit an diversen Psychosen und Neurosen leidet. Die einzige Befriedigung im Leben der 240 Millionen MBM-LeserINNEN und Leser bestehe darin, ihre eigenes snowboardmässiges Unvermögen mit Bildern und Texten zu kompensieren, welche wir ihnen von den Pros zu liefern haben. Wenn ich ihm darauf antworte, dass die Leute vielleicht einfach lieber andere Laufbahnen als Snowboardkarrieren gestartet haben, aber am Wochenende trotzdem gerne in die Berge fahren, und das Bild, welches er von seinen Leser hat, doch schon sehr depressiv sei, dann staucht er mich zusammen, macht mich zur Schnecke und droht mit meiner fristlosen Kündigung. Und was lernen wir daraus? Richtig, Chefredakteure sind alles Schweine.
In diesem Sinne, viel Glück und gute Fahrt.