Yin und Yang

Illustration: Oliver Conrad
Text: Dominik Brülisauer

Anmerkung: Als Kolumnist des SnowboarderMBM durfte ich zwischen 2006 und 2010 regelmässig über meinen Lieblingssport schreiben. Dieser Text enthält zeitlose Wahrheiten, deshalb kann man ihn gut heute noch lesen.

Ich muss zugeben, dass ich ein alter Romantiker bin. Jawohl, einer, der die Hoffnung niemals aufgeben wird, eines Tages die perfekte Frau zu treffen. Sie wird in mein Leben stolpern, mich mit ihren zwei bergseeklaren blauen Augen anschauen, eine Strähne ihrer vom Meersalz und von der Sonne goldiggefärbten Haaren aus ihrem vor Gesundheit und Lebensfreude strahlenden Engelsgesicht blasen, mit ihren Händen über das seidige Kleid fahren unter dem sich ihre zwei makellosen Brüste abzeichnen und zwei freundliche Nippel bereits anständig Hallo sagen. An ihrer Hüfte werden zwei Bierhalter befestigt sein, auf ihrem Rücken eine Matratze. Sie wird mir folgende Worte in die Ohren flüstern: «Dominik, du bist der erste Mann der Welt, den ich an mich ranlasse. Nicht weil ich prüde bin, sondern weil es bisher einfach noch keiner Wert war. Mein ganzes Wissen über die Liebe dieser Welt habe ich aus Pornofilmen, ich glaube zu wissen, um was es geht. Allerdings muss ich dir etwas gestehen, ich habe noch weitere Leidenschaften, und zwar Kochen, Putzen und Snowboarden. Falls du mich jetzt immer noch magst, könnten wir es ja zusammen probieren. Was meinst du?»

Seit ich mich für das andere Geschlecht interessiere, (Das heisst, seit ich mich überhaupt für irgendein Geschlecht interessiere, schliesslich ist es ist ja nicht so, dass ich mich früher für das gleiche Geschlecht interessiert hätte. Obwohl das ja grundsätzlich auch easy wäre, weil ein paar sehr gute Kollegen von mir sich für das gleiche Geschlecht interessieren und das heutzutage ja schon fast chic ist. Aber ich bin trotzdem hetero. Okay? Alles verstanden jetzt? Nein, ich bin nicht schwul, verdammt!) war Snowboardbegeisterung immer eine undiskutierbare Grundvoraussetzung dafür, dass ich mich auf eine Frau überhaupt einlassen konnte. Falls eine Frau nicht selber Gesnowboardet hat, war von Anfang an klar, dass die Beziehung spätestens im Herbst mit viel Würde und Anstand beendet werden würde. Und so vergingen die Jahre und die Flirts. Alles, was geblieben ist, ist die Leidenschaft und Hingabe zur Religion Snowboarden und die Hoffnung darauf, die oben geschilderte Person endlich zu treffen, um mit ihr, meinen femininen Pendant, meinem Yin zu meinem Yang (oder umgekehrt), meinem Rülpser zu meiner Betrunkenheit, meiner zweiten, hoffentlich noch besseren Hälfte, die geteilte Passion auszuleben.

Kürzlich war ich mit meinem alten Freund Roman auf dem Berg. Ich kenne ihn schon seit einer Ewigkeit. Wir sind zusammen in Pontresina in die Schule gegangen, haben die gleiche Sozialisation hinter uns und das gleiche Umfeld hat uns geprägt. Theoretisch könnte man meinen, dass wir die gleiche Grundeinstellung auf den Weg bekommen haben. Aber das stimmt nicht. Auf meine Frage, warum seine neue Freundin (aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen und aus Prinzip soll ihr Name nicht in der besten Snowboardbibel des Planeten erwähnt werden) nicht ebenfalls Shredden gekommen ist, antwortete er in einer fast militant anmutenden Nonchalance: «Tanja (ups, zu spät!) kann und will nicht Snowboarden. Und das ist gut so, schliesslich ist Snowboarden Männersache und man kann ja schliesslich nicht den ganzen Tag zusammen verbringen!». Er hätte mir genausogut sagen können, dass seine Freundin eine talibanfreundliche, nazisgeilfindende Delphinbabyschlächterin ist. Mein Weltbild wurde erschüttert. Ich habe angefangen mein Idealbild einer perfekten Frau zu hinterfragen. Ist es vielleicht doch besser, dass sie mir nicht allzu ähnlich ist? Dass wir Unterschiede haben? Dass sich Gegensätze halt doch mehr anziehen? Meine Zweifel wurden etwa zwei Wochen später wieder begraben. Tanja hat Fotos von Roman auf Facebook geladen, auf denen sie beide an einem perfekten Powdertag im Wald am Spazieren und Vögel füttern waren. Ja, so kann’s gehen, hehehe.

In diesem Sinne, viel Glück und gute Fahrt!

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